Die süße Krise – wie können wir unsere Kinder vor ungesunden Lebensmitteln schützen

Die aktuelle Lage zusammengefasst und kommentiert von Marco Rühl, CEO TeeFee

Zusammen mit 60 Organisationen wirbt die Stiftung Kindergesundheit für eine breite Unterstützung der von Bundesernährungsminister Cem Özdemir geplanten Werbeschranken für Lebensmittel mit einem hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehalt.

Mit „großer Sorge“ blicke man auf ablehnenden Äußerungen einzelner Politiker zu den Plänen für Kinderschutz, heißt es in dem offenen Brief, den zahlreiche Verbände, wie medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften, Kinderrechtsorganisationen, Eltern- und Pädagogikverbände, Verbraucherschutz- und Ernährungsorganisationen sowie Ärzteverbände und Krankenkassen unterzeichnet haben. Umfassende Werbeschranken für unausgewogene Lebensmittel seien ein wichtiges Instrument zur Förderung einer gesunden Ernährung bei Kindern, mahnt das Bündnis. Eine solche Blockadehaltung stelle sich gegen die Faktenlage und den einhelligen Konsens in Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Jedes 4. Kind in Deutschland ist übergewichtig 

„Weit über 100 wissenschaftliche Untersuchungen zeigen klar: Werbung für ungesunde Lebensmittel und Getränke erhöht den Verzehr beworbener Produkte und die gesamte Kalorienzufuhr, und sie führt bei Kindern und Jugendlichen zu mehr Übergewicht und Adipositas. Kinder- und Jugendärzte in Deutschland, Europa und anderen Teilen der Welt, die Weltgesundheitsorganisation, die Amerikanische Akademie der Wissenschaften und unabhängige Experten fordern deshalb die Begrenzung solcher Werbung an Kinder", so Prof. Berthold Koletzko, Stoffwechselspezialist an der Universitätskinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit.

Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Gesetzesvorhaben von Bundesernährungsminister Cem Özdemir wird von einzelnen anderen Ministerien in der Ressortabstimmung seit Monaten blockiert. Obwohl der Ernährungsminister bereits Zugeständnisse eingeräumt hat, wird auch der Kompromissvorschlag Özdemirs nicht unterstützt. Die Stiftung Kindergesundheit appelliert an alle politisch Verantwortlichen, im Sinne der zukünftigen Generationen zu handeln. Sie betont, dass Werbeschranken keine Bevormundung darstellen. Vielmehr stärkten sie die Entscheidungsfreiheit der Familien, indem sie den Einfluss ungesunder Lebensmittelwerbung auf Kinder reduzierten. „In einer Zeit, in der ernährungsbedingte Gesundheitsprobleme bei Kindern und Jugendlichen zunehmen, ist eine gemeinsame Anstrengung von Politik, Gesellschaft und Eltern von entscheidender Bedeutung, um eine gesunde Zukunft für unsere Kinder zu sichern.“, so Koletzko.

 

Wirtschaft und Lobbygruppen fürchten Umsatzverluste

 

Der deutschen Wirtschaft drohen Schäden in Milliardenhöhe kontert der Markenverband, sofern das geplante Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz (KLWG) in der vorliegenden Entwurfsform zur Anwendung kommt. Das ist das Ergebnis des ökonomischen Gutachtens der Wirtschaftsökonomen Prof. Dr. Justus Haucap, Dr. Ina Loebert und Dr. Susanne Thorwarth im Auftrag des Markenverbandes. Das KLWG verfehle nicht nur seine beabsichtigte Wirkung, zur Verbesserung der Gesundheit von Kindern beizutragen, sondern würde den Lebensmittel- und Medienstandort Deutschland massiv gefährden.

 

Der Markenverband hat die ökonomische Wirkung des Kinder-Lebensmittel-Werbegesetzes (KLWG) von einem Autorenteam um Prof. Dr. Justus Haucap vom Institut Düsseldorf Competition Economics untersuchen lassen. Die Folgen wären von enormem Ausmaß für den deutschen Markt. Im Ergebnis attestiert das Gutachten, dass es keine empirisch tragfähige Grundlage dafür gibt, dass ein Werbeverbot für Lebensmittel zur Verbesserung der Gesundheit von Kindern beitragen könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Bruttowerbeverluste in Höhe von fast 3 Milliarden Euro entstünden mit fatalen Auswirkungen auf die Lebensmittel- und Werbewirtschaft im Gesamten.

 

Bereits seit längerem wirbt der Markenverband für einen ganzheitlichen Multi-Stakeholder-Ansatz, der die echten Ursachen für Fehlernährung und Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen bekämpft, wie etwa die unzureichende Aufklärung der Eltern oder massiver Bewegungsmangel. Die Unternehmen der deutschen Markenwirtschaft wollen gemeinsam mit allen relevanten Akteuren wie Pädagogen, Ernährungsphysiologen, Ärzten und Vertretern von Sportvereinen eine wirksame Initiative für unsere Kinder starten: den Kinder-Gesundheits-Pakt für Deutschland. Leider blieben die Ergebnisse der freiwilligen Initiativen der Wirtschaft bislang weit hinter deren Versprechen zurück.

 

Unstrittig ist und bleibt, dass vor allem die Zuckerzusätze in über 80% unserer verarbeiteten Lebensmittel zu Übergewicht führt. Aktuell sind das 57% der deutschen Bevölkerung und fast jedes 4. Kind. Übergewicht führt dann in den meisten Fällen zu Herz-Kreislauf-Krankheiten und Diabetes 2. 8 Mio. Deutsche zählt die Statistik in 2022 mit Diabetes 2. Jeder 7. Todesfall ist auf falsche Ernährung zurückzuführen. Die Uni Hamburg errechnet 63 Millionen Euro gesellschaftliche Kosten durch Übergewichtige und deren Krankheitsverläufe. Und das ist erst der Anfang. Die Folgekosten der Erkrankungen werden erst in den kommenden 10 bis 15 Jahren ihren Höhepunkt erreichen.

 

Es muss eine politische Intervention geben. Werbeverbote sind dabei nur ein erster Schritt, um die Kinder vor Süßigkeiten, ungesunden Snacks und zuckerhaltigen Getränken zu schützen. 92% der an Kinder gerichteten Werbekampagnen haben o.g. Dickmacher im Programm. Griechenland und Australien haben diese Werbeformate bereits stark eingeschränkt. In Schweden, Norwegen und Kanada ist Werbung für Kinderprodukte bereits komplett verboten.

Viel wirksamer noch sind neben der Aufklärungsarbeit auch steuerliche Modell wie beispielsweise die Zuckersteuer in UK und 85 weiteren Ländern (WHO). Dort konnte durch die Einführung einer Zuckersteuer der Zuckeranteil in den Produkten drastisch gesenkt werden. Im Vergleich zu Deutschland haben vergleichbare Produkte nur die Hälfte an zugesetztem Zucker.

 

Neben der fehlenden Aufklärung ist der (finanzielle) Druck auf die Politik durch die Lobbygruppen der Lebensmittelindustrie nach wie vor das Hauptproblem bzw. Ursache für fehlende Reglementierung der die Gesellschaft krank machenden Produkte. Und so lange Politiker wie Markus Söder finden, dass man mit solchen Initiativen den Leuten den Spaß verdirbt, kann es nur immer weiter Bergab gehen.

 

Jeder kann seinen Beitrag leisten. Es geht um bessere, nicht hochverarbeitete Lebensmittel, den Schutz unserer Kinder und unseres Planeten. Es geht auch um unser Portemonnaie, um die Folgekosten, die wir gemeinsam tragen müssen und um Aufklärung.

 

Wir von der TeeFee wollen und werden unseren Beitrag leisten.

 

#sugarkills #zucker #adipositas #nachhaltigkeit #who #bio #organic #bcorp #zuckersteuer

 

Quellen:

 

Zeit Online, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-02/cem-oezdemir-werbung-junkfood-kinder-beschraenkungen?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fzustimmung%3Furl%3Dhttps%253A%252F%252Fwww.zeit.de%252Fpolitik%252Fdeutschland%252F2023-02%252Fcem-oezdemir-werbung-junkfood-kinder-beschraenkungen

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Printausgabe Titelseite vom 20. August 2023, Die süße Krise

Bundesministerium für Gesundheit, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/kindergesundheit/praevention-von-kinder-uebergewicht.html

Stiftung Kindergesundheit, https://www.kindergesundheit.de/aktuelles/

WHO, https://www.who.int/europe/de/news/item/08-11-2022-childhood-obesity-in-european-region-remains-high--new-who-report-presents-latest-country-data

ZDF Heute Show, https://www.zdf.de/comedy/heute-show/heute-show-spezial-vom-25-august-2023-100.html

Yumda.de, https://www.yumda.de/news/1181383/deutschland-werbeschranken-fuer-ungesunde-lebensmittel.html?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=yumdade&WT.mc_id=yd0021

Markenverband, http://www.markenverband.de/pressebereich/pressemitteilungen-2023/markenverband-veroeffentlicht-oekonomisches-gutachten-von-prof.-dr.-justus-haucap-kinder-lebensmittel-werbegesetz-schaedigt-wirtschaft-in-milliardenhoehe/2023_Gutachten_OEkonomische_Wirkung_KLWG.pdf 

Foto: AI generated

 

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